Errötungsängste

i-stock golubovy

Ergebnisse einer Masterarbeit an der Universität zu Köln am Department Psychologie zum Thema: Interozeptive Aufmerksamkeit und Errötungsangst bei Rosazea-Betroffenen

Zusammenfassung

Vor dem Hintergrund der Konzeptualisierung eines Teufelskreises der Errötungsangst (Gerlach, 2005) untersucht die vorliegende Arbeit den Zusammenhang zwischen sozialer Angst, internaler Selbstaufmerksamkeit in sozialen Situationen, einem allgemeinen interozeptiven Bewusstsein und der selbstberichteten Errötungsneigung von Rosacea-Betroffenen. Es wird angenommen, dass diese Zusammenhänge positiv sind, was den von Drummond und Su (2012) gefundenen Unterschied zwischen der wahrgenommenen und der physiologischen Errötungsneigung erklären könnte.
Hier nahmen Menschen mit Rosacea ihre Errötungsneigung im Vergleich zu einer gesunden Kontrollgruppe als höher wahr, obwohl sie physiologisch betrachtet nicht stärker erröteten. In einer Onlineumfrage wurden 264 Frauen (M = 46.85 Jahre, SD = 12.66) mit Rosacea befragt.
Die Ergebnisse bestätigen die Hypothesen. 29 % der Varianz der selbstberichteten Errötungsneigung werden durch die Prädiktoren erklärt. Die soziale Phobie hatte den größten Einfluss auf die selbstberichtete Errötungsneigung, gefolgt von der internalen Selbstaufmerksamkeit in sozialen Situationen.

Es konnten bedeutende Prädiktoren für die selbstberichtete Errötungsneigung gefunden werden, woraus sich wichtige Ansatzpunkte ableiten lassen, um den Teufelskreis der Errötungsangst bei Rosacea-Betroffenen zu durchbrechen. Mögliche andere Einflüsse müssen noch gefunden werden Theorie Rosacea ist laut Sobottka und Lehmann (2009) eine der häufigsten Hauterkrankungen im Erwachsenenalter. Menschen, die von dieser Krankheit betroffen sind, leiden unter sehr sensitiver Haut und Rötungen im Gesicht, oftmals begleitet von Pickeln und Pusteln, Schwellungen in den Talgdrüsen, Verdickungen der Haut, Äderchen, Besenreisern und gereizten Augen (Elewski et al., 2011). Die deutlich sichtbare Hautkrankheit kann erhebliche
Auswirkungen auf die Psyche und Lebensqualität der Betroffenen haben (Reinholz et al., 2016). Die psychologischen Auswirkungen dieser Hautkrankheit sind tiefgreifend, da das Gesicht einen erheblichen Stellenwert im ästhetischen Erscheinungsbild des Menschen besitzt (Statescu, Vata, Stincanu & Solovastru, 2015).

Die psychologischen Auswirkungen von Rosacea, so die AutorInnen, tragen erheblich zum Teufelskreis dieser Krankheit bei, da Stress ein wichtiger Auslösefaktor der Krankheit sei. Aufgrund dessen ist es wichtig, mehr über
diese zu erfahren.

Su und Drummond (2012) haben einen Teil dazu beigetragen, indem sie in ihrer Studie die psychologischen Auswirkungen von Rosacea näher untersuchten. Menschen mit Rosacea berichteten im Vergleich zu einer gesunden Vergleichsgruppe vermehrt von sozialen Ängsten, Stress und einer erhöhten Errötungsneigung. Daraufhin untersuchten die AutorInnen in einer Folgestudie, ob aufgrund der Veränderungen der Blutgefäße bei Menschen mit Rosacea und
der damit verbundenen vaskulären Besonderheiten auch eine erhöhte physiologische
Errötungsneigung vorliegt (Drummond & Su, 2012a). Dies konnte jedoch durch die Studie nicht bestätigt werden. Menschen berichten demnach von einer erhöhten Neigung zu erröten, tun dies objektiv gesehen jedoch nicht.

Die Frage, die diese Studie nun beantworten will, ist, wie die wahrgenommene erhöhte Errötungsneigung von Rosacea-Betroffenen alternativ erklärt werden kann. Als Folge der Erkrankung entwickeln Betroffene oftmals soziale Ängste sowie insbesondere die Angst zu erröten (Su & Drummond, 2012). Sie haben Angst vorm Erröten, da sie die Aufmerksamkeit der Mitmenschen nicht auf ihr Gesicht lenken wollen, so die AutorInnen.

Eine mögliche Erklärung für die erhöhte selbstberichtete Errötungsneigung bietet das
Teufelskreismodell der Errötungsangst nach Gerlach (2005), wonach die Wahrnehmung des Errötens beeinflusst wird durch die nach innen gerichtete Aufmerksamkeit. In diesem Zusammenhang sollen in der vorliegenden Untersuchung zwei mögliche Risikofaktoren näher untersucht werden. Zum einen handelt es sich um die Neigung, in sozialen Situationen die Aufmerksamkeit auf innerliche Prozesse zu lenken (internale Selbstaufmerksamkeit in sozialen Situationen). Zum anderen handelt es sich um die allgemeine Neigung, körperlicher Prozesse fortlaufend gewahr zu sein (allgemeines interozeptives Bewusstsein). Eine erhöhte internale Selbstaufmerksamkeit in sozialen Situationen ist bei der Sozialen Angststörung
nachgewiesen (Gaydukevych & Kocovski, 2012). Die Bedeutung eines allgemeinen
interozeptiven Bewusstseins ist von chronischen körperlichen Erkrankungen und somatischen Belastungsstörungen bekannt (Mehling, Daubenmier, Price, Acree, Bartmess & Stewart, 2013). Diese Faktoren könnten neben der sozialen Angst erklären, warum Personen mit Rosacea sich des Errötens bewusster sind und eine erhöhte selbstberichtete Errötungsneigung besitzen. Dies, obwohl sie physiologisch gesehen nicht stärker erröten als eine gesunde Vergleichsgruppe. Menschen mit Rosacea könnten somit eine besonders sensitive Wahrnehmung von Durchblutungsänderungen im Gesicht haben. Aufgrund dessen könnten beide Faktoren bei der Entstehung und Aufrechterhaltung einer Errötungsangst relevant sein.

Die verstärkte Wahrnehmung würde dazu führen, dass Veränderungen der Durchblutung katastrophisierend interpretiert werden, was wiederum die Errötungsangst verstärken kann.
Die vorliegende Arbeit untersucht den Zusammenhang zwischen sozialer Angst, internaler Selbstaufmerksamkeit in sozialen Situationen, einem allgemeinen interozeptiven Bewusstsein und der selbstberichteten Errötungsneigung von Rosacea- Betroffenen. Es wird angenommen, dass diese Zusammenhänge positiv sind, was den von Drummond und Su (2012a) gefundenen Unterschied zwischen der wahrgenommenen und der physiologischen Errötungsneigung erklären könnte. Hier nahmen Menschen mit Rosacea ihre Errötungsneigung im Vergleich zu einer gesunden Kontrollgruppe als höher wahr, obwohl sie physiologisch betrachtet nicht
stärker erröteten.

Methode

In einer anonymen Onlineumfrage wurden Personen mit Rosacea befragt. Das validierte Screening-Instrument Rosascreen wurde zur Beurteilung herangezogen, ob die untersuchten Personen Rosacea haben oder nicht (Tan, Schöfer et al. 2016). Insgesamt waren lediglich 11 % der Befragten Männer. Dieser Anteil ist zu wenig, um eine allgemeingültige Aussage treffen zu können. Aufgrund dessen wurden für die Analyse nur Frauen berücksichtigt. Zum Zeitpunkt der Untersuchung waren die 264 weiblichen Versuchspersonen zwischen 20 und 78 Jahre (M = 46.85, SD = 12.66) alt.

Ergebnisse

Die Ergebnisse bestätigen die Hypothesen. Es konnte ein positiver Zusammenhang zwischen den Prädiktoren und der selbstberichteten Errötungsneigung gefunden werden. Eine multiple Regressionsanalyse zeigt, dass die soziale Phobie, die soziale Interaktionsangst, die internale Selbstaufmerksamkeit in sozialen Situationen, sowie das allgemeine interozeptive Bewusstsein einen Einfluss auf die selbstberichtete Errötungsneigung haben, F(5,258) = 22.44, p < .001. Insgesamt werden 29 % der Varianz der selbstberichteten Errötungsneigung durch die Prädiktoren erklärt. Die soziale Phobie hatte den größten Einfluss auf die selbstberichtete Errötungsneigung, gefolgt von der internalen Selbstaufmerksamkeit in sozialen Situationen.

Diskussion

Die Studie trägt zum Verständnis der selbstberichteten Errötungsneigung von Rosacea- Betroffenen und den möglichen Einflussfaktoren bei. Es konnten bedeutende Prädiktoren gefunden werden, woraus sich wichtige Ansatzpunkte ableiten lassen, um den Teufelskreis der Errötungsangst bei Rosacea-Betroffenen zu durchbrechen. Trainingsprogramme könnten Rosacea-Betroffenen helfen, einer katastrophisierenden Interpretation der körpereigenen Prozesse vorzubeugen. Zukünftige Studien sind notwendig, um die erhöhte selbstberichtete Errötungsneigung und deren Einflüsse noch besser zu verstehen. Die psychologischen Aspekte der Krankheit Rosacea wurden bisher zu wenig untersucht und sollten auch in Zukunft mehr Beachtung finden.


Literatur

Drummond, P. D., & Su, D. (2012). Blushing in rosacea sufferers. Journal of psychosomatic research, 72(2), 153-158. doi:10.1016/j.jpsychores.2011.09.002

Elewski, B. E., Draelos, Z., Dreno, B., Jansen, T., Layton, A., & Picardo, M. (2011). Rosacea–global diversity and optimized outcome: proposed international consensus from the Rosacea International Expert Group. Journal of the European Academy of Dermatology and
Venereology, 25(2), 188-200. doi:10.1111/j.1468- 3083.2010.03751.x

Gaydukevych, D., & Kocovski, N. L. (2012). Effect of self-focused attention on post-event processing in social anxiety. Behaviour Research and Therapy, 50(1), 47-55. doi:10.1016/j.brat.2011.10.010

Gerlach, A. L. (2005). Angst vor körperlichen Symptomen im Rahmen der Sozialen Angststörung: Ursachen und Behandlung. In N. Vriends & J. Margraf (Hrsg.), Soziale Kompetenz, Soziale Unsicherheit, Soziale Phobie: Verstehen und Verändern (3. Aufl., S. 131-142). Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.

Mehling, W. E., Daubenmier, J., Price, C. J., Acree, M., Bartmess, E., & Stewart, A. L. (2013). Selfreported interoceptive awareness in primary care patients with past or current low back pain. Journal of pain research, 6, 403. doi:10.2147/JPR.S42418

Reinholz, M., Ruzicka, T., Steinhoff, M., Schaller, M., Gieler, U., Schöfer, H., Homey, B., Lehmann, B., & Luger, T. A. (2016). Pathogenese und Klinik der Rosazea als Schlüssel für eine symptomorientierte Therapie. JDDG: Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft, 14, 4-16. doi:10.1111/ddg.13139_g

Sobottka, A., & Lehmann, P. (2009). Rosacea 2009: Neue Erkenntnisse zur Pathophysiologie, klinische Manifestationsformen und Therapiestrategien. Der Hautarzt, 12, 999-1009. doi:10.1007/s00105-009-1825-y

Statescu, L., Vata, D., Stincanu, A., & Solovastru, L. G. (2015). Rosacea- psychodermatologic approach. Bulletin of Integrative Psychiatry, 21(4), 33-42.

Su, D., & Drummond, P. D. (2012). Blushing propensity and psychological distress in people with rosacea. Clinical psychology & psychotherapy, 19(6), 488-495. doi:10.1002/cpp.763

Tan, J., Schöfer, H., Araviiskaia, E., Audibert, F., Kerrouche, N., Berg, M., & RISE study group. (2016). Prevalence of rosacea in the general population of Germany and Russia–the RISE study. Journal of the European Academy of Dermatology and Venereology, 30(3), 428-434. doi:10.1111/jdv.13556

Zurück