„Digitale-Versorgung-Gesetz“

Anfang 2020 soll das Digitale-Versorgung-Gesetz in Kraft treten – für die Patienten ergeben sich dadurch ganz neue Möglichkeiten.
Ärzte dürfen Apps verordnen und über Videosprechstunden informieren, aber die elektronische Patientenakte wird es so schnell noch nicht geben: Das Bundeskabinett hat das „Digitale-Versorgung-Gesetz“ (DVG) beschlossen – in einer deutlich abgespeckten Version. „In den kommenden Monaten werden wir den Gesetzentwurf im Deutschen Bundestag beraten, damit das Gesetz Anfang des Jahres 2020 in Kraft treten kann“, so die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Karin Maag. Die Reaktionen auf den neuesten Wurf aus dem Gesundheitsministerium fallen gemischt aus.

Gesundheitsapps auf dem Handy

Ärzte können Gesundheits-Apps verschreiben, Patienten können sie schnell und einfach nutzen und die Krankenkassen übernehmen die Kosten – so die Idee hinter dem Gesetz. Gesundheitsminister Jens Spahn nannte auch konkrete Beispiele: Diabetes-Tagebücher, Apps für Menschen mit Bluthochdruck oder digitale Hilfen für Schwangere und Migräne-Patienten. Im Prinzip kommen viele Apps in Frage, die der Gesundheit dienen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) prüft die App auf Datensicherheit, Datenschutz und Funktionalität – danach erstatten die gesetzlichen Krankenkassen sie zunächst für ein Jahr. In dieser Zeit müssen die Hersteller nachweisen, dass die App tatsächlich die Patientenversorgung verbessert. Ist das der Fall, dann können die Hersteller einen Preis mit dem GKV-Spitzenverband aushandeln.
Neben den Apps soll das Gesetz auch weitere digitale Angebote voranbringen. So sollen Videosprechstunden bald zum ärztlichen Alltag gehören. Mediziner dürfen künftig über entsprechende Angebote auf ihrer Internetseite informieren, damit Patienten leichter herausfinden können, welche Ärzte solche digitalen Sprechstunden anbieten.

Veto aus dem Justizministerium

Ursprünglich sollte das DVG auch die elektronische Patientenakte auf den Weg bringen, die es in vielen anderen Ländern längst gibt – zum Beispiel in Estland. Allerdings legte das Justizministerium ein Veto ein, aus datenschutzrechtlichen Gründen. Die elektronische Patientenakte wurde daraufhin aus dem Entwurf gestrichen. Sie soll nun zu einem späteren Zeitpunkt durch ein eigenes Gesetz ermöglicht werden. Wann genau das sein wird – unklar.
Immerhin verkündet das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf seiner Internetseite: „Patienten und Patientinnen sollen digitale Angebote wie die elektronische Patientenakte möglichst bald flächendeckend nutzen können.“ Aus diesem Grund verpflichtet das neue Gesetz Apotheker und Krankenhäuser schon mal dazu, sich an die Telematik-Infrastruktur anschließen zu lassen. Hebammen, Physiotherapeuten, Pflege- und Rehabilitationseinrichtungen können dies ebenfalls tun, allerdings freiwillig. Ärzte, die sich nicht anschließen lassen wollen, werden schon heute mit einem Honorarabzug von einem Prozent bestraft – ab März 2020 sollen es dann 2,5 Prozent sein. Und: Mediziner, die ihre Arztbriefe mit einem Faxgerät versenden, erhalten künftig dafür eine geringere Erstattung als für das Versenden eines elektronischen Arztbriefs. In diesem Zusammenhang lohnt der Blick auf zwei Meldungen des IT-Branchenverbandes „Bitkom“: Danach wissen 28 Prozent aller Jugendlichen heute gar nicht mehr, was ein Faxgerät eigentlich ist. Dafür sind viele Patienten aufgeschlossen für digitale Angebote – so nutzen bereits 26 Prozent die Möglichkeit zur Online-Terminvereinbarung.

Die Angst der Schnecke vorm Geschwindigkeitsrausch

Einigen Krankenkassen hingegen geht die Sache mit der Digitalisierung deutlich zu schnell: „Tempo geht nicht vor Qualität“, erklärte Martin Litsch, Vorstandschef des AOK-Bundesverbandes. Er plädiert dafür „Details zum Start der elektronischen Patientenakte später gesetzlich zu regeln“ – und führt dafür nicht etwa die Angst der Schnecke vorm Geschwindigkeitsrausch an, sondern den Datenschutz und die Interessen der Patienten.
Die hat allerdings auch Tino Sorge im Blick, CDU/CSU-Berichterstatter für Digitalisierung im Gesundheitswesen. Er sagt: „Im Bundesjustizministerium sollte schleunigst die Erkenntnis reifen, dass Gesundheitsdaten für die Versorgung und den medizinischen Fortschritt von erheblichem Wert sind. Diese Daten unter Verschluss zu halten, würde Innovationen ausbremsen und den Patienten eine zeitgemäße Versorgung vorenthalten.“ Und weiter: „Manche scheinen zu vergessen: Wir müssen nicht nur die Daten schützen, sondern die Patienten. Zum Beispiel vor gefährlichen Arzneimittel-Wechselwirkungen, vor Behandlungsfehlern, vor Informationslücken, aber eben auch vor unnötigen Doppeluntersuchungen und Bürokratie.“  
Für den Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) ist das „Digitale Versorgung Gesetz“ ein Schritt nach vorne. Denn ein Leben ohne Smartphone ist heute für die meisten Menschen undenkbar und dem muss die Politik Rechnung tragen: Etwa in dem sie Apps einen Platz im deutschen Gesundheitssystem gibt. Allerdings: In der Nutzungsmöglichkeit von Daten für die Forschung ist noch immer zu Vieles nicht geklärt. Auch hier muss Deutschland Boden gut machen und die Politik möglichst bald den richtigen Rahmen setzen, so der Branchenverband.

Quelle: Pharma Fakten 18.7.2019

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